Abstract

Tanja Döring

Materialien, Toolkits und die menschlichen Sinne -
Strategien im Tangible Interaction Design

Im Zeitalter des "Ubiquitous Computing" - der allgegenwärtigen Einbettung von
Computersystemen in unsere Umgebung - werden Physikalisches und Digitales
immer enger miteinander verflochten. Für die Gestaltung der Interaktion mit technischen Artefakten bedeutet dies, dass nicht mehr vorrangig Software son-
dern immer stärker auch der menschliche Körper, das Physikalische und das
Material des Interface im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Der Vortrag er-
läutert Strategien des Interfacedesign im Forschungsfeld Tangible, Embodied
und Reality-based Interaction und stellt Bezüge her zu gegenwärtigen Ent-
wicklungen in DIY (Do It Yourself) Communities, deren Open Source Hardware
und Software Toolkits auch für das Prototyping neuer Interaktionstechniken
eine entscheidende Rolle spielen.

 

 

Sylvia Johnigk

Cyberpeace

Wir sind Zeugen eines seit einigen Jahren stattfindenden Wettrüstens im
Cyberspace. Immer mehr Staaten bauen militärische Cyberware Einheiten auf,
die aus IT Spezialisten bestehen und dem Zweck dienen, IT Systeme abzu-
sichern oder Systeme von „Feinden“ anzugreifen. Die Aufrüstung erhöht das
Risiko für die Zivilgesellschaft. Im Zuge der Vernetzung und Digitalisierung der
Welt steigen auch die Verletzlichkeit, Abhängigkeit von IT. Im digitalen Raum
lösen sich nationale Grenzen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten auf.
Jeder kann Gegner oder Feind sein, jeder kann Partner oder Betroffener sein.
Konflikte lassen sich dadurch nur noch schwer eingrenzen und durch nationale
Aktionen bekämpfen. Antworten müssen in einer friedenspolitischen Deeska-
lation gesucht werden. IT Sicherheitsrisiken können durch Dezentralisierung von
kritischen Infrastrukturen, Verringerung von Abhängigkeiten und allgemeiner
Verfügbarkeit von defensiver Technologie z.B. durch Transparenz und freie
Lizenzen reduziert werden.

 

Judith Schoßböck

It's a Cyborg's world? Synthetische Körper als "social engineering".

Unvollständigen Körpern, Prothesenwesen, Cyborgs oder hybriden Figuren sind
politische und soziale Codes eingeschrieben. In medialen Repräsentationen
reicht das Spektrum der digitalen Utopien bzw. Dystopien von der Darstellung
des Monströsen bis zu einer deutlichen Ermächtigung des Menschen, welche die
Grenzen bisheriger, sozial konstruierter Körper durch den Einblick in ihre Konst-
ruktionsprozesse außer Kraft setzt. Fembots, Gynoide und Cyborgs regen
unsere Vorstellungskraft an, sei es die Fantasie von der technisch perfekt aus-
gestatteten Frau, die Vision von der Überwindung unserer Geschlechter-
Dichotomie oder einfach einer faszinierenden Erscheinung. In Science Fiction
und Filmgeschichte verändern sich die Repräsentationen und Interpretationen
human-maschineller Hybride entlang realer, sozialer Rollen. Dennoch ist nach
wie vor ein Gap zwischen medialen Darstellungen und Visionen und tatsäch-lichen Anfertigungen zu beobachten, der in der Brücke von verheißungsvollen
Cyborg-Manifestos (Haraway) und mit den Augen klimpernden Fembots der
Industriebranche evident wird. Der Beitrag denkt diese Figurationen des (Un-)
Vollkommenen und post-natürlichen Körper im Hinblick auf ihre sozialen Ver-
heißungen und bedient sich dabei Codes aus der feministischen Cyborg-Theorie,
Theorien der Prothetik, des Fetischismus und der Kognitionswissenschaft, aber
auch anschaulicher Beispielen aus Medien und Wissenschaft.

 

Stefanie Wuschitz

Hacking Feminism

Seit 2009 versucht Miss Baltazar's Laboratory (MBL) eine Umgebung hervorzu-
bringen, in der Frauen und Transpersonen ihre technischen Fähigkeiten mit-
einander austauschen können. Vor kurzem haben wir unseren eigenen Space in
Wien gegründet, angelegt an das Format 'Hackerspace', ausgerüstet mit Werk-
stätten zur Herstellung interaktiver Kunst. MBL konzentriert sich im Besonderen
auf feministische Annäherungen an Technologie.
In keiner anderen Kunstform scheint die Verbindung von Werkzeug, Arbeits-
raum und Handelnden so eng wie in der interaktiven Kunst. Die Anwendung
oder der Code ist selbst ein essentieller Teil des Kunstwerks. Die Umsetzung
eines Konzepts erfordert eine stetige Erweiterung an Wissen, Technologie und
Zugang. Viele Künstler_innen in diesem Bereich nutzen daher Werkzeuge, die
unter einer GNU oder FLOSS (free/libre/open source software) Lizenz verfügbar
sind.
Was die Künstlerin am Zugang zu einer Software hier noch hindern kann ist ihre
Entscheidung, sie sich anzueignen oder nicht. Diese ist vor allem von ihrem
Selbstkonzept abhängig: Kann ich das erlernen? Gibt es jemanden wie mich,
der es nutzt?
So wird Selbstermächtigung zur wichtigsten Zugangsvoraussetzung zu Open
Source-Technologie. MBL möchte einen Raum erschaffen, der diese Entschei-
dung erleichtert, durch das Anbieten von Unterstützung, einer sicheren und förderlichen Umgebung, die Entwicklung von Selbstkonzepten durch Diskus-
sionen, Vorträge, Lesezirkel, Freundschaften und insbesondere Praxiswork-
shops.
Dies beinhaltet neue Formen der sozialen Interaktion und des gemeinsamen
Lebens. Wie können wir während der Workshops Kinderbetreuung anbieten?
Wie gehen wir mit den unterschiedlichen Erwartungen an unsere Ziele um? Wie
steht es mit den individuellen Bedenken bezüglich Autorschaft, Konkurrenz-
denken, künstlerischen Karrieren?
Werkzeuge, Raum, und Teilnehmer_innen prägen einander und diese
Entwicklung wird bewusst durch MBLs Konzept und Struktur gestützt. Leute
werden ermutigt, Risiken einzugehen, zusammenzuarbeiten, den DIY Gedanken
zu unterstützen, ihren eigenen Zugang zum Selbermachen zu finden. Als Frauen
sozialisierte Personen soll es so gelingen, ihre durch unsichtbare Zensur, Pre-
kariat, Selbständigkeit oder Mutterschaft hervorgebrachte Isolation zu ver-
lassen und die Zugänge zu nutzen, die Open Source-Technologie bieten kann.


Daphne Dragona

Can someone pause the counting for a second please?
Zu einer Kritik der gegenwärtigen 'Gamification'

Die Social Media-Welt ist eine Welt des Wetteiferns. Freundesstände, Like-
Quoten und Kommentarzähler gehören zu den typischen Features eines Social
Network-Profils. Zahlen zählen. Nicht nur, weil sie den UserInnen Selbst-
bestätigung bieten, sondern auch, weil sie bestimmen, was sichtbar wird und
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zahlen verraten, wie sozial UserInnen sind, wie
beliebt ihre Sprüche sind, wie interessant ihr Alltag zu sein scheint. Ob dies
reflektiert wird oder nicht, im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie wird Erfolg
durch Zählen von Freunden, Uploads, Likes und Beiträgen gemessen. Aber was
wird durch solche 'Gamification' wirklich erfassen? Die Performativität der User-
Innen und ihre Bereitschaft zur Interaktion? Ihre Fähigkeiten und ihre affektive
Kompetenz? Der Vortrag greift zurück auf Paolo Virnos Virtuositätbegriff und
Michael Hardts Konzept der affektiven Arbeit, um so die Rolle darzustellen, die
Gamification mittlerweile spielt. Zugleich werden Gegen-Mechanismen diskutiert,
wie sie etwa von KünstlerInnen eingesetzt werden, um die Rolle von Kreativität
als Widerstand und die Bedeutung von kollektiver Handlung hervorzuheben.

 

Amelia Andersdotter

Eine moderne Demokratie für die europäische Union

Als Post-Demokratie wird jener Zustand beschrieben, in dem ein Großteil der
politischen Einflussnahme und der legislativen (inkl. der interpretativen) Kom-
petenz von den direkt gewählten Repräsentanten des Volks abgezogen und auf
ein globales Level verschoben werden, wo diplomatische Vertreter der Regie-
rungsvertretungen detaillierte Anforderungen ausarbeiten, wie die Gesetz-
gebung in den unterzeichnenden Staaten der Handelsabkommen aussehen und
sich verhalten soll. Im weiteren wird dies verknüpft mit der Entwicklung von
Konfliktlösungssystemen für diese Handelsabkommen, etwa Schiedsgerichte zur
Klärung von Streitigkeiten der vertragsschließenden Parteien, deren Weisungen
nicht nur maßgeblich dafür sind, wie die Parteien den Verpflichtungen bezüglich
zolltariflicher Reduktionen entsprechen, sondern auch für die legislativen und
administrativen Maßnahmen die in den Unterzeichnerstaaten erlaubt sind - was
in der Gesamtsumme ein erhebliches, demokratisches Defizit produziert. Effektiv
sind Gesetzgebung und -interpretation unter diesen Bedingungen außerhalb
des parlamentarischen Systems angesiedelt und politische Gewalt wird auf die
Ausführenden der jeweiligen Nation übertragen.

 

Mara Verlic & Wencke Hertzsch

Perspektive Leerstand

Das Themenfeld Leerstand verweist auf eine vielschichtige – und dabei auch
umstrittene – soziale, kulturelle und ökonomische Problematik in städtischen
Gesellschaften. Im aktuellen Diskurs wird Leerstand bzw. der Umgang damit vor
allem im Zusammenhang von Hausbesetzungen, temporären Zwischen-
nutzungen, städtischen Stadterneuerungs- und Aufwertungsprozessen sowie
Gentrification diskutiert. Unseres Erachtens steht Leerstand dabei vor allem im
Mittelpunkt von zwei Betrachtungen: zum einen sind leer stehende Räume
Möglichkeitsräume resp. ‚Freiräume‘ in denen unterschiedliche Nutzungs-
anforderungen und Ideen umgesetzt werden können. Zum anderen – und dies
steht im engen Zusammenhang zum ersten Punkt – gibt es eine Vielzahl so-
zialer Gruppen, die sich diese Möglichkeitsräume im Sinne leer stehender Räume
aneignen wollen.
Vor diesem Hintergrund stehen in der Auseinandersetzung mit Leerstand als
städtische und zivilgesellschaftliche Ressource folgende Fragen im Mittelpunkt:
Ausgehend von allgemeinen, diskursiven Fragen (Wer sind die sozialen Gruppen
die Leerstand benötigen? Welche städtischen Räume stehe leer und wie kön-
nen diese angeeignet werden?) stellen sich ebenso Fragen nach den Macht-
verhältnissen im Umgang mit Raum (Welche Akteur_innen und sozialen Gruppen
sind aktiv und haben Zugang zu Leerstand? Wie viel Raum wird benötigt? Wer
verfügt über Leerstand und warum?) sowie Fragen zu Handlungsmöglichkeiten
diskutiert werden müssen (Wie wird üblicherweise Zugang zu Leerstand er-
möglicht? Wer wird exkludiert? Was sind entsprechende Alternativen?).
In unserem Vortrag beziehen wir uns hauptsächlich auf die Ergebnisse eines
Forschungsprojektes der TU Wien und IG Kultur („Perspektive Leerstand“), bei
dem die (sozial)räumlichen, akteur_innenbezogenen, diskursiven und recht-
lichen Dimensionen von Leerstand integriert betrachtet werden.

 

Markus Schmidt

Biohacking und seine gesellschaftlichen Problemfelder

Die synthetische Biologie ist der Versuch, Prinzipien der Ingenieurswissen-
schaften auf die Biologie zu übertragen. Motiviert von Richard Feynman's letzten
Worten, "What I cannot build I do not understand", versuchen synthetische Bio-
logInnen über bloße Beschreibung und Analyse hinausgehen und tatsächlich le-
bende Systeme zu konstruieren. Angesichts der Komplexität lebender Systeme
ist dies jedoch kein leichtes Unterfangen. Die Entwicklung eines Werkzeug-
kastens für das modulare Design biologischer Systeme, um solchermaßen Kom-
plexität zu reduzieren und Biologie einfacher steuern zu können, hat daher
hohe Priorität auf der Forschungsagenda. So es gelingt, könnte "de-skilling"
endgültig das volle Potenzial der Biotechnology entfesseln und eine Welle von
Innovationen ermöglichen, da mehr und mehr Personen Zugang zu den not-
wendigen Fähigkeiten hätten. Eine Reihe von "Biohackern", "Do-it-yourself-
Biologen" und "Amateurbiologen" haben bereits begonnen, Biotechnologie vom
Labor in die Küche, Garage oder Gemeinschaftszentren zu verlegen. Die damit
verbundenen Problemfelder ökonomischer (Patente vs. Open Access), sozio-
politischer (Demokratisierung von Biotechnologie), umweltschutz- und sicher-
heitsbezogener Natur werden in diesem Beitrag diskutiert.

 

Anouk Wipprecht

What does fashion lack? "Microcontrollers

Was fehlt in der Mode? "Microcontroller", findet Anouk Wipprecht. Aus dem
Modedesign (2000-2010) kommend, haben ihre Interessen sie zur Verbindung
ihres Modestudiums mit interaction design und user experience design geführt.
Als sie im Jahr 2006 begann, Robotikbauteile mit Arduino (Open-Source-Micro-
controller) zu kombinieren und in ihre Entwürfe einzubauen, entwickelte sich
daraus der Wunsch, diese auch zu "animieren". Microcontroller werden in der
Prototypephase eingesetzt, um jeweils passgenaue Leiterplatten zur Steu-
erung der elektronisch ausgestatteten Kleider anzufertigen; statt auf übliche
Elektronikbauteile wie LEDs setzen Wipprechts Projekte stärker auf 'unkon-
trollierte' Materialien wir spezielle leitfähige Folien, tragbare Nebelmaschinen
und Schlauchsysteme aus farbiger Flüssigkeit. Als Kuratorin der Ausstellung
TECHNOSENSUAL 'Where fashion meets technology", die in den vergangenen
zweieinhalb Monaten im Museumsquartier stattfand, stellt sie dar, was alles
benötigt wird, um 'Electronic Couture' zu entwerfen. 

http://www.anoukwipprecht.nl

 

Thomas Ballhausen

Asking the Girls Out? Reverse Engineering und
das (Neu)Schreiben der österreichischen Filmgeschichte.

Ausgehend von einem erweiterten Konzept des "Archivs" und seiner Logik/
Logistik werde ich die Werkzeuge des Reverse Engineering aus der Perspektive
der Geisteswissenschaften versuchen anzuwenden. Bereits weitläufig in den
Literaturwissenschaften eingesetzt, erlauben es diese Konzepte, schwierige
und selbst unwillkommene Fragen an Geschichte und Geschichtsschreibung zu
stellen: Am Beispiel des Modellierens / Schreibens österreichischer Film-
geschichte, insbesondere aus der Phase weiblichen Filmschaffens ins Österreich
von 1969-1999, werde ich zeigen, wie durch Reverse Engineering wesentliche
Einblicke in historiographische Prozesse gewonnen werden können und so
schließlich eine erneuerte, archivgestützte Lektüre und Schreibung der Filmge-
schichte selbst möglich wird.

 

Nicole Prutsch

Das Spiel mit den Glasperlen

Nicole Prutschs Werk bedient sich aller Medien und Formate der Gegenwart.
Anhand von Video, Installation, Fotografie, Malerei, Skulptur und Performance
inszeniert sie Spielräume, die einladen mittels des 'skopophilen' Blicks den
künstlerischen Fokus nachzuspüren: die menschliche Indentität als Konstrukt
biochemischer Ereignisse, psychologischer und soziokultureller Einflüsse.
Prutschs Kunst agiert zwischen Realität und deren Wahrnehmung, Messbarem
und Unbewusstem, Kontrolle und Unterwerfung, im Zeitgefühl der Beschleu-
nigung des technologischen Fortschrittes.

 

Johannes Grenzfurthner

We Are Closed

In einer in Medien gründenden Gesellschaft sind es die Zeichen und was diese
bezeichnen, die Ansichten und Gewohnheiten und Konventionen des Sprechens
und Denkens, die Bilder und Stereotypen, die alles kontrollieren. Diesen Um-
stand möchte ich als die kulturelle Grammatik der Wirklichkeit bezeichnen - und
in dieser formiert sich Macht. Zugriff und Nicht-Zugriff zu allem und jedem wird in
diesem Reich gesteuert. Was OFFEN und was GESCHLOSSEN ist, wird in einem
komplexen Verhandlungsprozess definiert, und wir sind jeden Tag Teil davon.
Wir sind nicht so hilflos gegenüber dem Lauf der Welt, wie wir womöglich an-
nehmen, sondern können ihn verändern. Doch hat dieser Prozess eine Kehr-
seite: Wir müssen vorsichtig sein mit dem, was wir uns wünschen. Wir könnten
die Folgen abbekommen.